Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner

Frist zum Haushalt 2025 endet Alle bestehen auf ihren roten Linien

Stand: 02.05.2024 06:03 Uhr

Bis heute haben die Ministerien Zeit bekommen, ihre Etat-Zahlen für den kommenden Haushalt abzuliefern. Schon jetzt zeichnet sich der nächste Eklat ab - und es drohen weitere Haushaltslöcher.

Von Jan-Peter Bartels, ARD-Hauptstadtstudio und Nicole Kohnert, ARD Berlin

Täuschend ruhig liegt das Regierungsviertel in der Sonne. Beschaulich fast. Harmonisch ist es hinter den Kulissen aber nicht. Es geht um viel Geld, um den Haushalt 2025. Der Endspurt läuft, nächstes Jahr wird gewählt.

Was jetzt nicht in den Haushalt kommt, das klappt nicht mehr - und wer will schon öffentlich dafür gescholten werden, seine Projekte nicht umzusetzen? An diesen Haushaltverhandlungen hängt alles: die geplante Rentenreform, die Kindergrundsicherung, diverse Klimaschutzprogramme, mehr Geld für Verteidigung. Nun wird im Hintergrund gedealt und es läuft das Spiel: Wer zuerst zuckt, verliert.

Lindner will an der Schuldenbremse festhalten

"Konstruktiv!" Es klingt fast wie eine Drohung, wenn Finanzminister Christian Lindner dieses Wort in den Mund nimmt und damit die anstehenden Gespräche mit seinen Koalitionspartnern meint. Die anstehenden Haushaltsverhandlungen verbindet er mit dem FDP-Wirtschaftskonzept und meint, dass alles "Hand in Hand" und "Schritt für Schritt" gehen müsse.

Lindner will die wirtschaftliche Dynamik im Land stärken und außerdem um jeden Preis die Schuldenbremse einhalten. Die rote Linie der Liberalen ist also klar gezogen. Damit das klappt, müssen wohl weit mehr als 20 Milliarden Euro eingespart werden.

Die SPD will nicht am Sozialstaat rütteln

Kürzungsvorschläge gibt es einige, beispielsweise die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren zu streichen oder das Renteneintrittsalter anzuheben. Aber hier zieht die SPD ihre Linie: "Das wird mit uns nicht geändert", sagte Kanzler Olaf Scholz am Wochenende in Hamburg. Am Sozialstaat werde nicht gerüttelt, das garantiere die SPD.

Stattdessen versucht das Wirtschaftsforum der SPD, die Debatte über die Schuldenbremse neu zu befeuern. Auch diese Gruppe verweist - wie die FDP - auf die lahmende Wirtschaft, kommt aber in einem Papier zu einem ganz anderen Schluss in Sachen Schuldenbremse: "Halten wir daran fest, so werden die Kosten, die künftige Generationen zu tragen haben, die Kosten der Kreditaufnahme in den Schatten stellen."

Habeck will ein Entlastungsprogramm

Die Grünen schütteln nur noch mit dem Kopf. Sie haben Lindners Wirtschaftskonzept erst einmal ignoriert. Wirtschaftsminister Robert Habeck will am liebsten die Schuldenbremse lockern und ein "kurzfristiges, aber wuchtiges Entlastungsprogramm" für die Wirtschaft auflegen.

Hier kreuzen sich die Linien von Grünen und Liberalen, das sieht auch der Vizekanzler: Die Verhandlungen über den Haushalt könnten schwierig werden, sagt Habeck. Damit die Rechnung am Ende stimme, bekämen die Leute entweder weniger Geld oder sie müssten mehr bezahlen: "Dass das eine erfreuliche Operation wird, das kann niemand glauben."

Kürzungslisten statt Wunschlisten

Eine schwierige Operation, die ihre Zeit brauchen wird, glaubt die Opposition. "Wir werden einen heißen Sommer und Herbst erleben", sagt Christian Haase, der haushaltspolitische Sprecher der Union. Für ihn ist klar, dass einige der roten Linien nicht funktionieren werden: "Man kann nicht alle Sozialleistungen für sakrosankt erklären. Da schütteln auch die Leute eher den Kopf, weil die schon sehen, dass die Enden nicht zusammenpassen. Das Volk ist weiter als seine Regierung."

Eine Linie allerdings werde halten, sagt Haase voraus: "Wir bewegen uns nicht bei der Schuldenbremse. Deswegen wird es die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung in dieser Legislatur nicht geben."

Und so wird die Ampel wohl nur noch Kürzungslisten diskutieren können, keine Wunschlisten. Allein einem Herzensanliegen der FDP könnte eine Zukunft beschert sein: Die FDP will gerne den Solidaritätsbeitrag abschaffen, den inzwischen vor allem Unternehmen zahlen. Das soll die Wirtschaft stärken.

Klage gegen den Solidaritätsbeitrag

Ihn abzuschaffen könnte Milliarden kosten, das würde ein weiteres Haushaltsloch reißen. Auch deswegen halten Grüne und SPD am Soli fest. Allerdings will das Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr über eine Klage gegen den Solidaritätsbeitrag entscheiden.

FDP-Chef Lindner warnte deswegen beim Parteitag der Liberalen: "Bevor wir uns von Karlsruhe aus Rechtsgründen dazu zwingen lassen, sofort und ohne Plan auf den Soli verzichten zu müssen, sollten wir lieber die klare politische Entscheidung treffen, planvoll Schritt für Schritt auf ihn zu verzichten."

Am Plan B wird also im Finanzministerium gearbeitet. Sollte Karlsruhe die Ampel zum Abschaffen des Solis zwingen, würde das wohl eine neue Debatte in Gang setzen, ob man nicht erneut eine Notlage erklären und die Schuldenbremse aussetzen müsse.

Nur eine kleine Rolle für die Steuerschätzung

Noch liegt diese Entscheidung in der Zukunft. Die großen Linien, die großen Posten werden Kanzler Scholz, Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner in den kommenden Wochen zu dritt klären, heißt es immer wieder.

Die Steuerschätzung Mitte Mai, auf die Haushaltspolitiker gerne setzen, um mehr Spielraum im Rechenspiel zu haben, wird voraussichtlich nur eine kleine Rolle spielen. So wird in den Hinterzimmern diskutiert, verhandelt und Druck aufgebaut: Alle bestehen auf ihre Linien - keiner will zuerst zucken.