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Gelder von Wohnungseigentümern BaFin verbietet Kreditgeschäft mit Rücklagen

Stand: 30.04.2024 17:00 Uhr

Die Finanzaufsicht BaFin hat das Kreditgeschäft der Deutsche Rücklagen untersagt. Es geht um Darlehen in Millionenhöhe. Wohnungseigentümer, deren Geld in Anleihen der Deutsche Rücklagen steckt, machen sich Sorgen.

Von Claudia Gürkov, BR, und Volker Siefert, HR

'Irgendwas läuft mit unseren Rücklagen womöglich schief', schoss es Christian in München Ende November 2023 durch den Kopf. Das ARD-Magazin Report München zeigte gerade einen Beitrag über fragwürdige Geschäfte mit den Ersparnissen von Wohnungseigentümern.

Christian ist Beirat einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), die bis vor kurzem von einer Hausverwaltung der Wiesbadener Consigma-Gruppe betreut wurde. Als Beirat ist er gewählter Vertreter der WEG. Seinen Nachnamen möchte er nicht veröffentlicht sehen. 

"Erst durch den Bericht wurde mir klar, dass unser Erspartes möglicherweise in riskanten Anleihen steckt", sagt Christian. Es geht um 240.000 Euro. Seine WEG in München besteht aus 80 Wohnungen und benötigt die Rücklagen dringend, denn ein Heizungsboiler ist kaputt, und in der Tiefgarage gibt es Wasserschäden. Obwohl die WEG die Anleihe bei der DR Deutsche Rücklagen GmbH gekündigt hat, wartet sie bislang auf den Großteil des Geldes.

Zahlreiche Wohnungseigentümer melden sich

Seit Ende November haben sich rund 40 WEG aus Hessen, Baden-Württemberg und Bayern bei BR und HR gemeldet. Sie alle waren oder sind bei Hausverwaltungen der Consigma-Gruppe. Ihre Rücklagen, berichten sie, seien komplett oder teilweise in Anleihen der Deutsche Rücklagen geflossen. Einige haben ihr Geld inzwischen zurück, andere nur zum Teil.

Eigentümer, deren Ersparnisse nach wie vor in Anleihen der Deutsche Rücklagen investiert sind, sind besorgt. Die Deutsche Rücklagen vergab von dem Geld Darlehen, nach eigenen Angaben an Firmen der Immobilienbranche; zudem seien die Darlehen über Einträge in Grundbücher abgesichert. Überprüfen können die Reporter dies nicht.

BaFin ordnet Einstellung des Kreditgeschäfts an

Mitte März untersagte die BaFin der Deutsche Rücklagen das Kreditgeschäft. Unter der Rubrik Warnungen & Aktuelles steht auf ihrer Webseite: "Die Finanzaufsicht BaFin hat mit Bescheid vom 12. März 2024 angeordnet, dass die in Tauberbischofsheim ansässige DR Deutsche Rücklagen GmbH ihr Kreditgeschäft einstellen und abwickeln muss. Sie hat dafür keine Erlaubnis."

Wer Geld an andere verleiht, muss bestimmte Auflagen erfüllen. Über deren Einhaltung wacht die BaFin. Damit soll verhindert werden, dass Firmen durch riskante Geschäfte den Kreditmarkt in Schieflage bringen. Die Deutsche Rücklagen hat die erforderliche Erlaubnis nicht. Gegen diese Entscheidung könnte die Deutsche Rücklagen rechtlich vorgehen. Die Frage danach wird BR und HR nicht beantwortet.

Von der Deutsche Rücklagen heißt es auf Anfrage, man sei "in enger Kommunikation" mit der BaFin und werde selbstverständlich entsprechend deren Vorgaben handeln. Der Geschäftsführer schreibt: "Die Deutsche Rücklagen GmbH garantiert selbstverständlich weiterhin die Rückzahlung der Anleihen gemäß der Anleihebedingungen, daran ändert die Mitteilung der BaFin nichts."

Unternehmensnetzwerk mit Fragezeichen

Die Deutsche Rücklagen ist Teil eines Unternehmensnetzwerkes. So stand es bis Mitte April auf der Webseite der GmbH. Das Netzwerk umfasst danach unter anderem die Consigma-Gruppe und die Deutsche Rücklagen sowie weitere Firmen in Deutschland und der Schweiz.

Ebenfalls bis Mitte April teilte die Deutsche Rücklagen auf der Webseite mit, man gehöre zu einem Unternehmensnetzwerk, "das maßgeblich von zwei Personen gesteuert wird". Dabei handelt es sich danach um einen Geschäftsführer der Deutsche Rücklagen und Dr. U. Ihn führt die Deutsche Rücklagen bis zum Umbau des Webauftritts als "Ideengeber und Gründer". Zudem ist Dr. U. wirtschaftlich Berechtigter zweier Firmen, die wiederum Gesellschafter der Deutsche Rücklagen sind. All diese Angaben sind nicht mehr auf der Homepage zu finden.

Eigentümerversammlung muss entscheiden

In vielen Fällen, die BR und HR vorliegen, hatten Consigma-Verantwortliche keinen Eigentümerbeschluss eingeholt, ob sie angesparte Gelder in Anleihen der Deutsche Rücklagen investieren dürfen. Doch genau das sieht die Rechtsprechung vor, sagt WEG-Fachanwalt Burkhard Rüscher aus München: "Nur mündelsicher, ohne Verlustrisiko und schnell verfügbar dürfen Hausverwalter Rücklagengelder anlegen, für alles andere benötigt der Verwalter einen genehmigenden Beschluss der Eigentümerversammlung."

Die Rechtsanwältin der Consigma-Gruppe schreibt BR und HR, man habe sich an bestehende Verwalterverträge gehalten. Auch der Vorstandsvorsitzende der Consigma Holding AG, Dr. U., verteidigt das Vorgehen. Er hält auch eine Zustimmung der WEG zum Jahresabschluss für eine Genehmigung. Weiter betont Dr. U., man verhalte sich gemäß den gesetzlichen Vorgaben und lege die Rücklagen sicher und gut verzinst an. Unregelmäßigkeiten seien nicht bekannt.

Kein einheitlicher Umgang mit WEG-Geldern

Nicht alle WEG, die ihr Geld zurückfordern, werden gleich behandelt. Eine kleine Gruppe von WEG bekam ihr Geld kurz nach Kündigung der Anleihe von der Deutsche Rücklagen komplett zurückerstattet. In anderen Fällen wurden Teilbeträge zurückbezahlt. Weitere WEG warten noch auf ihr Geld. Teilweise wurde auf Anfragen der WEG nicht reagiert. Nicht wenige machen sich Sorgen, ob sie ihr Geld zurückbekommen.

Die Deutsche Rücklagen schreibt auf Anfrage von BR und HR: "Kein Anleger muss sich um seine bei der Deutschen Rücklagen angelegten Gelder Sorgen machen oder zu einer vorzeitigen Kündigung veranlasst sehen." Die Münchner WEG sorgt sich trotzdem, ob sie ihr Geld zurückbekommt. Als BR und HR nachfragen, antwortet Dr. U., die Gutschrift werde laut Anleihebedingungen zum 30. Juni 2024 erfolgen.

Einige Wohnungseigentümer haben Strafanzeige gegen Verantwortliche in dem Unternehmensnetzwerk rund um die Consigma und die Deutsche Rücklagen erstattet. Inzwischen befassen sich nach Recherchen von BR und HR drei Staatsanwaltschaften mit dem Fall. Bisher haben die Staatsanwaltschaften in Stuttgart, Darmstadt und Wiesbaden kein Ermittlungsverfahren eröffnet.

Einen Fernsehbeitrag können Sie im Report München um 21:45 im Ersten sehen.

Claudia Gürkov, BR, tagesschau, 01.05.2024 06:31 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die Sendung "Report München" am 30. April 2024 um 21:45 Uhr.